Außenansicht Dorfgemeinschaftshaus Wenzendorf

Dorfgemeinschaftshaus – Architektur schafft Identität

Das Dorfgemeinschaftshaus in Wenzendorf zeigt idealtypisch, wie Architektur den ländlichen Raum beleben kann. Inspiriert von der Tradition der bäuerlichen Hofstelle, aber in konsequent moderner Interpretation. Als Bestätigung wurde das von JUP Architektur realisierte Gebäude, teilfinanziert mit Fördermitteln der EU, in das diesjährige Programm des Tags der Architektur der Architektenkammer Niedersachsen aufgenommen.

Wie schnell Zukunftsforscher doch widerlegt werden können. Noch vor kurzem warnten sie vor einer Verödung des ländlichen Raums, vor „lost places“, die dem Verfall preisgegeben sind. Und jetzt das: Die Pandemie, die Deutschland seit März 2020 fest im Griff hat, macht das Dorf zum Gewinner. Weil Städte, in denen man das urbane Leben nicht genießen kann, auf einmal ziemlich unwirtlich sind. Stattdessen garantiert das Haus auf dem Land mit einem großen Garten eine Lebensqualität, die aus dem Home-Office einen Sehnsuchtsort macht.

Das Dorf – ein Gewinner der Pandemie

Aus der jahrzehntelangen Landflucht wird die Landlust. Wenn das Pendeln dank neuer digitalisierter Arbeitskonzepte seinen Schrecken verliert, kommen die klassischen Vorzüge des Lebens im Dorf wieder in den Fokus: Heimat, Wurzeln, Geborgenheit, Ursprünglichkeit und Verlässlichkeit, intakte soziale Netze. Man kennt sich, man hilft sich und ist füreinander da. Damit sich aber diese soziale Qualität wirklich entfalten kann, braucht es Orte, an denen sie erlebbar wird. Und hier spielt das Dorfgemeinschaftshaus eine zentrale Rolle.

Veranstaltungszentrum, Gemeindeverwaltung, Identifikationspunkt

Das Dorfgemeinschaftshaus ist der Platz, an dem Kulturveranstaltungen stattfinden, Feste gefeiert und wichtige Anlässe begangen werden, wo man sich zusammenfindet, um Gemeinschaft zu erleben. Das Projekt in Wenzendorf wurde im Rahmen der Dorferneuerung nach den Richtlinien zur integrierten ländlichen Entwicklung (ZILE) des Landes Niedersachsen durchgeführt und mit Europamitteln gefördert. Es dient sowohl als Verwaltungs- als auch als multifunktionaler Versammlungsort für die Bewohner. Hier ist nicht nur das Büro des Bürgermeisters, hier finden auch Gemeinderatssitzungen statt, treffen sich die Kinderspielgruppe und der Seniorensport, können Theatergruppen auftreten (eine verschiebbare Trennwand macht einen Teil des Raums zur Bühne). Auf dem Gelände wird Beachvolleyball trainiert und Fußball gebolzt.

Architektur als Botschaft: traditionsbewusst und konsequent modern

Zugleich repräsentiert das Dorfgemeinschaftshaus die Gemeinde nach außen. Hier ist das Selbstverständnis der dörflichen Gemeinschaft in Architektur geformt – als Botschaft an Gäste und Durchreisende genauso wie an die Bewohner selbst. Und die Botschaft des Dorfgemeinschaftshauses in Wenzendorf ist eindeutig: „Unserer Tradition bewusst, öffnen wir uns der Zukunft.“

Exponierte Lage für eine bedeutende Rolle

Der bedeutenden Rolle entsprechend wurde als Standort für den Neubau die ehemalige Spielplatzfläche am Ortseingang nordwestlich der bestehenden Gebäude gewählt. Hier liegt das Dorfgemeinschaftshaus präsent für ankommende Besucher und baut gleichzeitig Sichtbeziehungen zur Feuerwehr, dem Bolzplatz und dem in die Grundstückstiefe verlegten Spielplatz auf, ohne sie räumlich zu bedrängen. Städtebaulich ist es Ausgangspunkt, verbindendes Element und Drehscheibe für die vielfältigen Aktivitäten, die auf dem Gelände stattfinden.

Das Dorfgemeinschaftshaus prägt das Ortsbild

Stefan Weinert, verantwortlicher Planer bei JUP Architektur, formuliert die Leitlinien, die dem Entwurf zugrunde liegen: „Unser Büro hat eine Vielzahl ortsprägender Bauten entworfen und realisiert. Sie alle verbindet das intensive Bestreben, die Bedürfnisse der Bauherren mit den Bedingungen des Ortes zu vereinen. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, die Nutzbarkeit des Grundrisses und die soziale Funktion des Gebäudes ebenso wahrzunehmen wie die ästhetischen Kriterien, die ein Bauwerk zu einer markanten Bereicherung des Orts- oder Stadtbildes machen.“

Spannungsreiche Interpretation der bäuerlichen Hofstelle

Die Gestaltung orientiert sich an der Architektur der Region. „Der Baukörper nimmt gestalterisch die Formen- und Materialsprache der klassischen dörflichen Bauweise in Norddeutschland auf“, erläutert Weinert, „und setzt sie zeitgemäß um – als moderne Interpretation des Themas der Hofstelle eines Bauern mit ihren Nebenanlagen.“ Der Entwurf von JUP zitiert weitere historische Stilelemente – bis hin zur nur angedeuteten „Grot Dör“, der typischen zweiflügeligen Stalltür, an der Eingangsseite des Gebäudes.

Fachwerk, Glas und Sichtbeton in neuer Einheit

Auch in der Konstruktion als Holzrahmenbau klingt die traditionelle Fachwerkbauweise in ihrer modernen Form an. Allerdings sind die typischen Gefache nicht ausgemauert, sondern verglast. Ein Vorteil für die Belichtung des Veranstaltungsraums und zugleich Ausdruck von Transparenz und Modernität. Dem Anspruch an zeitgemäße Architektur entspricht auch der Einsatz von Stahlbeton: Die gebäudehohe Wandscheibe im Veranstaltungsraum dient der Aussteifung des Baukörpers, ist aber konsequenterweise als Sichtbetonwand ausgestaltet – ein attraktiver Kontrast zur klassischen Materialisierung des Gebäudes.

Vorbild für Gestaltung, Inklusion und Klimaschutz

Nicht zuletzt sollte ein kommunales Bauvorhaben eine wichtige Vorbildfunktion in der Gemeinde übernehmen: wie zeitgemäße Architektur im ländlichen Raum aussehen kann, wie sie barrierefrei gestaltet wird und zudem allen Ansprüchen an Nachhaltigkeit und Klimaschutz genügt. Gute Architektur, der sich JUP verpflichtet fühlt, ist zukunftssicher. Das gilt nicht nur für ihre Gestaltung, sondern natürlich auch für ihre Nutzung und den Betrieb. So wird das Dorfgemeinschaftshaus in Wenzendorf regenerativ, mit einer Wärmepumpe, beheizt.

Innenansicht Dorfgemeinschaftshaus Wenzendorf

Außenansicht Dorfgemeinschaftshaus Wenzendorf